Wer kann in Brasilien nachhaltig sein? MEINUNG 05/06/2025
- Ana Cunha-Busch
- 4. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Wer kann in Brasilien nachhaltig sein?
Über Nachhaltigkeit zu sprechen, klingt oft schön, aber es ist nicht immer allumfassend. In Werbekampagnen erscheint es in idyllischen Szenen: Stofftaschen auf dem Biomarkt, städtische Gärten mit Blick auf die Stadt, Fahrräder auf gut ausgebauten Radwegen. Aber wenn der Diskurs auf die brasilianische Realität trifft, stellt sich eine unangenehme Frage: Wer kann in Brasilien eigentlich nachhaltig sein?
Ist Nachhaltigkeit immer noch ein Privileg?
Die Antwort ist unweigerlich eine Frage des Zugangs - geografisch, wirtschaftlich und bildungsmäßig. Nach Angaben der Organic Promotion Association (Organis, 2023) kosten Bio-Lebensmittel zum Beispiel durchschnittlich 30 bis 50 % mehr als konventionelle Lebensmittel. Das bedeutet, dass ein großer Teil der Bevölkerung, die von Ernährungsunsicherheit betroffen ist(laut dem Penssan Networkmehr als 33 Millionen Brasilianer), einfach nicht zwischen einer normalen Tomate und einer agroökologischen Tomate wählen kann. Sie kaufen, was in ihre Taschen passt.
Das Gleiche gilt für Praktiken wie die Nutzung von Solarenergie, Kompostierung oder nachhaltige städtische Mobilität. Nach Angaben der Nationalen Agentur für elektrische Energie (ANEEL) haben weniger als 2 Prozent der Brasilianer Zugang zur Erzeugung eigener Solarenergie, vor allem wegen der anfänglichen Kosten für die Installation. In den abgelegenen Stadtvierteln mangelt es oft an einer getrennten Müllabfuhr, schlechten öffentlichen Verkehrsmitteln und fehlenden Grünflächen - all dies schränkt die Anwendung nachhaltiger Praktiken im Alltag ein.
Nachhaltigkeit, die ausschließt, was erhält sie aufrecht?
Der indigene Forscher Ailton Krenak erinnert uns daran, dass es „keine nachhaltige Zukunft ohne soziale Gerechtigkeit“ gibt. Dieser Satz hat einen starken Widerhall, wenn wir an die strukturelle Ausgrenzung von Gemeinschaften denken, die schon immer nachhaltig gelebt haben, heute aber von der öffentlichen Politik und der Marktlogik marginalisiert oder unsichtbar gemacht werden.
Darüber hinaus verbirgt der Diskurs der „individuellen Verantwortung“ eine unangenehme Wahrheit: Laut dem Carbon Disclosure Project sind Unternehmen für mehr als 70 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Doch die Last der Veränderung fällt fast immer auf den Verbraucher.
Lassen Sie uns über die grüne Blase hinaus denken, ja?
Das bedeutet nicht, dass Menschen mit weniger Ressourcen sich nicht um die Umwelt kümmern, ganz im Gegenteil. Viele nachhaltige Praktiken gibt es bereits in den Randgebieten, auch wenn sie nicht unter diesem Namen laufen. Das Wiederverwenden von Kleidung, das Reparieren von Gegenständen, das Teilen von Ressourcen, das Vermeiden von Lebensmittelabfällen - all das ist gelebte Nachhaltigkeit. Aber diese Maßnahmen werden in der öffentlichen Debatte nur selten gewürdigt.
Die Nachhaltigkeit, die wir in Brasilien brauchen, ist eine, die mit den lokalen Realitäten in Dialog tritt, die das Wissen der Bevölkerung schätzt und die Ungleichheit als Teil des Problems begreift. Wie der Wirtschaftswissenschaftler Ignacy Sachs vorschlägt, „muss eine nachhaltige Entwicklung ökologisch ausgewogen, wirtschaftlich tragfähig, sozial gerecht und kulturell vielfältig sein“.
Die Lösung: Demokratisierung der Nachhaltigkeit
Es ist dringend notwendig, die Vorstellung zu ändern, dass nachhaltig zu sein bedeutet, mehr „grüne“ Produkte zu kaufen. Nachhaltigkeit sollte kein Privileg sein, sondern ein Recht. Und dafür brauchen wir eine öffentliche Politik, die nachhaltige Praktiken auf zugängliche Weise fördert, und eine weniger elitäre Auffassung davon, was es bedeutet, „sich um den Planeten zu kümmern“.
Nachhaltigkeit kann in Brasilien nicht von der Postleitzahl abhängen.
Mit Dankbarkeit, 🌿🌍
Anna Luisa Beserra
Gründerin, Nachhaltige Entwicklung & Wasser für alle
LinkedIn: Anna Luisa Beserra
SDGs, die mit diesem Text in Verbindung gebracht werden können: 1, 2, 10, 11, 12, 13, 16.





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